Dann also Badminton
Ein Video der Olympischen Winterspiele 2018 in PyeongChang hat alles verändert. Für den damals 20-jährigen Maurin Stübi war plötzlich klar: Ich will auch einmal an Paralympics teilnehmen. Ein Traum, den viele haben, ihn aber nie greifbar machen. Maurin Stübi aus Emmenbrücke tickt anders. Wenn er etwas will, geht er es aktiv an und tut etwas für sein Glück.
Maurin Stübi hat von Geburt an spastische Diplegie. Diese chronische neuromuskuläre Erkrankung äussert sich bei ihm unterschiedlich, erzählt er: «Meine Feinmotorik in den Beinen und Händen ist eingeschränkt oder nach weiten Wegstrecken schmerzen die Beine.» Auch beim Sport ist er weniger agil als andere. «Beispielsweise kann ich meine Hüfte nicht optimal eindrehen und habe Probleme mit dem Gleichgewicht.» Sport war immer Teil seines Lebens. Als Kind kam er über den Vater zum FC Emmenbrücke. «Ich war nie ein guter Fussballer, spielte aber gerne», gesteht der heute 26-Jährige. Er versuchte es mit Tennis. Aber da Para-Tennis nur für Athleten im Rollstuhl angeboten wird, machte sich Maurin Stübi auf die Suche nach einer neuen Sportart. Als Badmintonspieler rechnete er sich reelle Chancen aus, dereinst an Paralympics teilnehmen zu können. Dann also Badminton, sagte er sich und versuchte fortan, seine sportlichen Ambitionen mit seinen beruflichen Interessen unter einen Hut zu bringen.
Die Geschichte von Maurin Stübi ist nicht nur die Geschichte eines ehrgeizigen Athleten, sondern auch die eines jungen Mannes, der ständig in Bewegung ist. Über die IV kam er 2016 zu Brändi. In der Produktion Luzern absolvierte er die dreijährige Grundausbildung Kaufmann Profil B. Danach zog es ihn in den Journalismus. «Ich wollte Online-Redaktor werden, musste aber feststellen, dass ich nicht der Typ dafür bin», erinnert sich Maurin Stübi und entschied, dass er auch beruflich etwas mit Sport machen will. Er erwirbt in Hamburg das Fachabitur und startete in Remagen südlich von Bonn sein Sportmanagement-Studium. Vor allem auch deshalb, weil dort Badminton auf höchstem Niveau gespielt wird und optimale Trainingsbedingungen angeboten werden. Der 1. BC Beuel ist mit fast 600 Mitgliedern einer der grössten und führenden Badmintonvereine in Deutschland. In diesem Sommer konnte der Verein sein neues Leistungszentrum eröffnen. Daran angebaut wurde ein Jugendwohnheim für junge Athlet:innen, vor allem des BC Beuel. In einem der 14 neuen Appartements wohnt Maurin Stübi. Es spielten Zufall und Glück mit, dass das alles geklappt hat, erinnert er sich: «Ich habe mich für eine Assistenten-Stelle des Vorstands beworben. Daraus wurde nichts. Aber sie boten mir an, mich in die Leistungsakademie des Vereins aufzunehmen, weil sie mich und meinen Weg cool fanden. Ich wusste: Wenn ich weiterkommen will, muss ich nach Bonn.» Das Studium hat er mittlerweile gewechselt. Nun will er über ein Fernstudium Sportfachwirt werden und damit den höchsten öffentlich-rechtlichen Abschluss der Sportbranche in Deutschland schaffen.
Daneben arbeitet Maurin Stübi in einem 50-Prozent-Pensum im Hochschulsport der Uni Bonn im Projekt «Inklusion im und durch den Hochschulsport» mit. Er schafft unter anderem neue inklusive Sportangebote, organisiert Sensibilisierungskampagnen und organisiert Schulungen. «Das ist eine coole Arbeit in einem tollen Team. Bezüglich Inklusion sind uns die Deutschen mindestens 30 Jahre voraus.» Das spürt er als Mitarbeiter und Athlet. Sein Arbeitgeber nimmt beispielsweise Rücksicht auf seine Trainingszeiten. So ist es ihm möglich, von Montag bis Freitag bis zu sieben Trainingseinheiten zu absolvieren. Bis zu 15 Stunden pro Woche verbringt er mit Krafttraining und Übungen auf dem Spielfeld, dazu kommen Einsätze in der Liga. «Match-Praxis ist wichtig, daher spiele ich in der Kreisliga Doppel».
Die Paralympics 2028 in Los Angeles bleiben sein grosses Ziel. Auf dem Weg dahin konnte er 2023 als Teilnehmer der ersten Multisport-EM im Para-Sport wertvolle Erfahrungen sammeln und erinnert sich an die «coole Stimmung und das ganz andere Setting». Im nächsten Jahr steht eine weitere EM an, 2027 beginnt die Qualifikationsphase für die Paralympics in Los Angeles. Auch wenn er von einer Teilnahme träumt, bleibt Maurin Stübi realistisch: «Es wird sehr schwierig. Aber wenn ich es nicht probiere, erfahre ich nie, ob es möglich gewesen wäre. Also gehe ich diesen langen Weg und werde auch dann gut schlafen, wenn es nicht klappt.»